BSE - Der nackte Wahnsinn

    Eine Frage stellt sich ganz unweigerlich: "Ist BSE auf den Menschen übertragbar?" Dazu gibt es eine grundlegende Publikation (Nature 383, 685-690 (1996)) von der Gruppe um John Collinge vom Imperial College in London. Da eine "Verfütterung" von BSE-haltigem Material an Menschen keinen gangbaren Weg darstellt, hat man auf rein biochemischem Wege Hirnmaterial von typischen CJD-Patienten, neu aufgetretenen, atypischen, "spontanen" CJD Patienten (auch v-CJD genannt) und Material von BSE infizierten Rindern bzw. Affen verglichen. In diesem biochemischen Verfahren unterscheiden sich unerwarteterweise die typische und die atypische, neu aufgetauchte Variante der CJD. Die atypische Variante stimmt hingegen mit der BSE Variante von Rindern und Affen überein. Zwei Nachfolgeexperimente (Nature 389, 448-450, (1997) Nature 389, 498-501 (1997)) liefern überzeugende Beweise, dass vCJD "durch ein Agens, dass für BSE verantwortlich ist" hervorgerufen wird (Nature 389, 437-438 (1997)). Das lässt den Schluss der Verwandschaft der BSE-Variante und der atypischen CJD Variante zu. Daraus folgt, dass eine Möglichkeit der Uebertragbarkeit von BSE auf den Menschen besteht.

    "Wie wahrscheinlich ist aber eine Infektion mit BSE?" Zur Beantwortung dieser Frage gibt es erste wichtige Hinweise (Nature 388, 285-288 (1997)). Im Reagenzglas wurde infektiöses Material von CJD-Patienten und normales Material gemischt und beobachtet, dass sich das normale Material zu krankhaftem Material umwandelt. Die gleichen Beobachtungen wurden auch mit BSE und Scrapie Material gemacht, nur dass diese Materialien wesentlich ineffizienter die Umwandlung von gesundem Material vorantrieben. BSE und Scrapie unterschieden sich in ihrer Infektionseffizienz nicht. Dies ist erstaunlich, da zwar BSE-Fälle, aber nie Scrapie-Fälle beim Menschen beobachtet wurden, obwohl Scrapie schon seit 250 Jahren bekannt ist. Zur Zeit ist über die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer BSE Uebertragung noch keine definitive Aussage möglich. Unklar ist und bleibt, ob und wenn ja warum sich Menschen nur in seltenen Fällen mit BSE-Prionen anstecken können.

    Da der Konsument jedoch eine Einschätzung der Lage erwartet, gibt es schon seit längerer Zeit eine ganze Reihe offizieller Verlautbarungen, die selbstverständlich immer noch kontrovers diskutiert werden. (Jede unten aufgelistete Aussage birgt Diskussionsstoff für mindestens 30 min)

      Ist Rindfleisch unbedenklich?  Ja, der Erreger befindet sich nicht im Muskelfleisch.  

      Beim Schlachtvorgang muss jedoch peinlich darauf geachtet werden, dass Fleisch nicht äusserlich z.B. durch Rückenmarkbestandteile kontaminiert wird. 

      Ist Kuhmilch unbedenklich?  Ja. Erstens ist der Erreger nie in Kuhmilch nachgewiesen worden, zweitens wird Milch von BSE-Kühen vernichtet. 
      Ist Gelatine aus Rindermaterial gefährlich?  Nein. Gelatine gilt als ungefährlich, sofern sie in der Schweiz hergestellt ist. Dies ist jedoch aufgrund des Herstellungsprozesses der Hydrolyse von Collagen sehr kontrovers. Gelatine wird in der Schweiz aber sowieso nur aus Schweinematerialien hergestellt. 
      Was ist mit Gelatine enthaltenden Kosmetika?  Eine Aufnahme über die Haut ist nie getestet worden, gilt aber als unwahrscheinlich. 
      Ist Schaffleisch gefährlich?  Ein Infektionspotential durch Scrapie lässt sich nicht ausschliessen, es gibt aber keinen Anhaltspunkt für eine Infektion, da auch in Ländern mit hohem Schaffleischkonsum (Neuseeland) nie CJD in erhöhtem Masse aufgetreten ist. 
      Ist Dosenfutter gefährlich für Katzen?  Potentiell ja, aber durch die entsprechenden Massnahmen zur Bekämpfung von BSE eher vernachlässigbar. Infektiöse Organe dürfen aufgrund der hohen Verarbeitungsstandards in der Schweiz als Katzenfutter verwendet werden. 
      Wird BSE in der Schweiz ausrottbar sein?  Nach den Prognosen sollte es irgendwann zwischen 1998 und 2007 keine BSE-Fälle mehr geben. 
      Ist Knochenmark auch gefährlich?  Nein. Rückenmark (infektiös) und Knochenmark (nicht-infektös) sind medizinisch gesehen sehr unterschiedlich. 
      Lässt sich potentiell infiziertes Material durch Braten oder Kochen unschädlich machen?  Eindeutig nein! 
      Lässt sich BSE eigentlich schon behandeln?  Es gibt bis jetzt weder Therapie, noch Schutzimpfung. 
      Ist ein BSE Test in Sicht, bei dem man das Fleisch vor dem Verkauf testet?  In etwa einem Jahr soll ein Test auf den Markt kommen, der darauf basiert, dass die infektiöse Form des Erregers resistent gegen eine bestimmte  ist, die nicht infektiöse Form jedoch enzymatisch verdaut werden kann.  
      Tests mit Antikörpern gegen die infektiöse Form sind in Sicht. 

Der Reiseweg der Prionen

Wie gelangen die Prionen aus der Nahrung ins Hirn?

Dieser Frage kam die Zürcher Forschungsgruppe um Adriano Aguzzi Ende Dez. 1997 einen Schritt näher (Nature 390, 687-690 (1997)). Mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mausestämmen konnte gezeigt werden, dass Prionen weisse Blutkörperchen, sogenannte B-Lymphocyten benutzen, um vom Darm zum Hirn zu reisen. Mäuse deren Immunsystem stark geschwächt war, die also wenige B-Lymphocyten besassen, erkrankten nicht, während unter gleichen Bedingungen normale Mäuse infiziert wurden. Diese Erkenntnis ist natürlich nur ein Teil der Reiseroute (das Gefährt ist erkannt nicht aber Ein- und Ausstieg), die aber erheblichen Einfluss hat auf die Sicherheit von Blutprodukten. Mitte Dez. 1997 wurden 250 irische Personen mit Blut versorgt, das Anteile eines Kranken Spenders enthielt. Heutige Blutprodukte sind aus technischen Gründen nicht völlig frei von B-Lymphocyten.
Die B-Lymphocyten-Fähre und das Faktum, dass eine Prioneninfektion vom Zeitverlauf her präzise wie ein Uhrwerk ist (Aguzzi), lässt auf eine mögliche Therapie hoffen. Nach einer möglichen Infektion ist keine Eile geboten, um mit einer Immunsuppressionstherapie beim Patienten zu beginnen. Zur Zeit gilt die Meinung, dass Prionen nicht überlebesfähig sind, wenn sie nicht ihr "Taxi" besteigen können, um sich letztendlich im Hirn zu "vermehren".