Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Neue Zürcher Zeitung VERMISCHTE MELDUNGEN Montag, 05.06.2000 Nr.129   14

 

Antike Städte vor Ägyptens Küste entdeckt

Meeresarchäologen bergen Götterstatuen und Goldmünzen

ber. Kairo, 4. Juni

Am Samstag hat der Franzose Franck Goddio die Resultate der zweijährigen Taucharbeiten seines französisch-ägyptischen Teams vor der Küstenstadt Abukir, 24 Kilometer östlich der ägyptischen Hafenstadt Alexandria, vorgestellt. Der Ingenieur, Profitaucher und Hobbyarchäologe Goddio glaubt, im Meer die Überreste der 2700 Jahre alten Städte Herakleion, Menuthis und Kanopus gefunden zu haben. Bereits Herodot besuchte 450 v. Chr. Herakleion und dessen berühmten, Herkules geweihten Tempel. Auch in der griechischen Mythologie werden die Städtenamen erwähnt; so soll Menelaos, der König von Sparta, sich nach dem Fall Trojas in Herakleion aufgehalten haben. Kanopus, der Kapitän seiner Flotte, kam durch einen Schlangenbiss ums Leben, stieg zum Gott auf und gab gemeinsam mit seiner Frau den Schwesterstädten ihren Namen. Bei Kanopus wurde eine berühmte, dem Gott Serapis gewidmete Tempelanlage errichtet, wo viele Pilger noch lange nach Ägyptens Christianisierung Heilung suchten.

Einem Erdbeben zum Opfer gefallen?

Goddio und der Direktor der ägyptischen Altertumsbehörde, Gaballah Ali Gaballah, zeigten an ihrer Pressekonferenz einen Film, in dem Tempel-, Häuser- und Hafenreste trotz der massiven Wasserverschmutzung gut erkennbar sind. Riesige Statuen und Säulen verschiedener Stile beweisen nicht nur den Reichtum der ehemaligen Küsten- und Hafenstädte, sondern auch die lange Zeitspanne, die sie überdauerten. Goddio nimmt an, dass die Städte im 6. und 7. Jahrhundert v. Chr. gegründet wurden. Der Geophysiker des Forscherteams glaubt an einen plötzlichen Untergang im 8. Jahrhundert n. Chr. Wahrscheinlich seien sie alle drei der Zerstörungskraft eines Erdbebens zum Opfer gefallen. Für diese These spräche, dass die meisten Säulen und Mauern in dieselbe Richtung umgekippt seien und dass die jüngsten gefundenen Münzen aus jener Zeit stammten. Danach habe das Meer die zerstörten Städte überschwemmt. Heute liegen die Ruinen in sechs bis zehn Metern Tiefe und etwa sieben Kilometer vor der Abukir-Bucht. Die grosse Entfernung belegt deutlich, dass die ägyptische Mittelmeerküste durch Erosion ständig Land ans Meer verliert.

Publizität im Dienste der Sache

Der französische Teamleiter Goddio hatte sich bereits 1996 mit seinen Taucharbeiten rund um die versunkenen Paläste der Ptolemäer im Hafen von Alexandria einen Namen gemacht. Zwei Jahre später nahm er die Gelegenheit der 200-Jahr-Feier der französisch-ägyptischen Beziehungen wahr, um die Suche nach der am 1. August 1798 vor Abukir von Nelson zerstörten französischen Flotte aufzunehmen. Entdeckt wurden bisher in 12 Meter Tiefe die Überreste von Napoleons Flaggschiff «L'Orient» und zweier Fregatten. Viele Archäologen werfen Goddio seinen starken Hang zur Publizität vor, mit der er die Wiederauffindung bereits bekannter versunkener Stätten zu eigentlichen Entdeckungen hochstilisiert. Andere, allen voran die ägyptische Altertumsbehörde, halten ihm dagegen zugute, dass aus antiken Stätten, die längst in Vergessenheit geraten sind, in den internationalen Medien wieder kleine Sensationen werden..

 


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