Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

Italisch-römische Bautechniken
erklärt anhand der Bauperioden in Pompeji
Ein Kurzlehrgang für Schülerinnen und Schüler


1. Die Kalksteinperiode: 425 - 200 v. Chr.

2. Tuff-Periode: 200 - 80 v. Chr.

3. Die republikanische Zeit: 80 - 27 v. Chr.

4. Die Zeit von Augustus bis Claudius: 27 v. - 54 n. Chr.

5. Die letzte Phase: 54 - 79 n. Chr.


 

1. Kalkstein-Periode: 425 - 200 v. Chr.

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opus quadratum

 

Webrahmentechnik

In dieser Zeit wird die Hausfront aus behauenen Kalksteinquadern gebaut, die mit Ton gebunden sind. Baumaterial ist der sog. Sarnokalk, ein helles, poröses Konglomeratgestein, das leicht zu bearbeiten ist. Wenn dieser Kalk lange der Luft ausgesetzt ist, wird er hart und nimmt eine gelbliche Patina an.
Die Bauweise mit Quadern nennt man allgemein opus quadratum; die Blöcke sind isodom (=gleich hoch).

Die Wände im Hausinnern werden mit der sog. Webrahmentechnik (a telaio) gebaut: Man errichtet ein Gerüst von horizontalen und vertikalen Quadern, zwischen denen unregelmässige Blöcke aus Kalkstein und Lava eingefügt werden, die man mit Ton verbindet. Die Wände sind mit einer weissen Stuckschicht verkleidet.
Mit dieser Webrahmentechnik sind auch die Fronten bescheidener Häuser gebaut.

Die Fussböden bestehen in dieser Zeit aus festgestampfter Erde, die mit Kalk und Asche vermischt ist.

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Casa del Chirurgo
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2. Tuff-Periode: 200 - 80 v. Chr.

In dieser Periode wird vor allem der graue Nocera-Tuff als Baumaterial verwendet. (Nocera ist eine Stadt in der Nähe von Pompeji)

Die Fassaden bestehen aus opus quadratum. Sie sind z.B. durch Pilaster am Hauseingang geschmückt. In den Atria sind Impluvia aus Tuff eingebaut. An den Fassaden der wichtigsten Gebäude werden Plattenverkleidungen angebracht. (Blendarchitektur: siehe unten das Haus des Pansa).

Opus caementicium (vgl. "Zement")
Ab dem 2. Jh. v. Chr. verbreitet sich in der Campania das sog. opus caementicium als neue Technik. Möglicherweise ist diese Bautechnik, die sich später in Italien und im ganzen römischen Imperium verbreitete, gerade in der Campania entstanden: In der Nähe von Pozzuoli wird noch heute die sog. Puteolaner Erde - Pozzuoli hiess in der Antike Puteoli - abgebaut. Diese Erde, vermischt mit Wasser, ergibt eine beliebig formierbare Mörtelmasse, die nach dem Trocknen steinhart wird. Gebaut wurde - wie heute bei der Verwendung von Zement oder Beton - mit wandernden Verschalungen meist aus Brettern, in welche diese Masse eingegossen wurde. Oft sind die Abdrücke der Bretterverschalungen heute noch zu sehen (vgl. unten das Bild der Wasserleitung aus Augst).

Innen- und Aussenwände werden in der Tuffzeit mit dieser neuen Bautechnik hochgezogen. Sie sind gefüllt mit weichen Bruchsteinen aus Lava. Die caementa (Bausteine) werden so angeordnet, dass für die sichtbare Oberfläche regelmässig geschnittene Steine mit gleichmässiger Oberfläche nebeneinander gesetzt sind. Diese Bauweise heisst opus incertum (vgl. unten das Haus in der Regio VI).

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opus incertum

Aussenwände aus opus incertum sind häufig mit Tuffplatten verkleidet, auf die Innenwände wird oft ein dicker Verputz aufgetragen.

Diese Opus-caementicium-Bautechnik stellt eine eigentliche Revolution in der Baugeschichte dar. Sie bedeutet die Möglichkeit des Verzichts auf die griechische Quadertechnik.
Ein griechischer Tempel aus Marmor beispielsweise besteht tatsächlich völlig aus Marmor. Die Quader, die Säulentrommeln, der Architrav usw. sind allesamt behauener Marmor. Diese Bauweise verlangt hochqualifizierte Arbeiter und dauert verhältnismässig lange.
Die neue Bauweise kann mit vielen, auch unqualifizierten Arbeitern in recht kurzer Zeit durchgeführt werden. Ihre Vollendung erfährt sie in den Kuppel- und Gewölbebauten der Thermen und in den Aquädukten. Kuppeln und Gewölbe (siehe unten) setzen das opus caementicium voraus - die Griechen bauten keine Kuppeln -, der Bau von Aquädukten innert nützlicher Frist ist nur mit der Opus-caementicium-Bauweise möglich.
Auch die späteren Bauten mit Ziegelsteinen werden nach diesem Verfahren gebaut: Die Ziegelsteine bilden nur das Äussere, im Inneren befindet sich der Mörtelkern:

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Schmuck und Gestaltung der Wände wird bei allen römischen Mauern durch Verblendungen geschaffen, z.B. durch das Einhängen von Marmorplatten, das Auftragen von Verputz mit oder ohne Wandmalerei usw. Dieses Vorgehen wird selbst bei Mauern befolgt, die mit der Quadertechnik gebaut sind.

 

Die Fussböden der Tuffzeit sind am häufigsten aus opus signinum = Kalk, der mit Ziegel- und Amphorenscherben vermischt ist und dadurch einen roten Farbton erhält.
Andere bestehen aus gestampfter Lava, die durch verschiedenfarbige, unregelmässige, zerstreut eingelegte Steine belebt wird.
Ferner gibt es Fussböden aus weissen, grob behauenen Steinen, in deren Mitte sog. Emblemata eingelegt werden. Emblemata sind Mosaik-Bilder, die in speziellen Werkstätten hergestellt und in die Mitte der Bodenkomposition eingefügt wurden.

 

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Pompeji, Forum
Tuff-Säulen

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Pompeji
Haus des Pansa

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Pompeji, Haus des
L. Ceius Secundus

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Augst
Wasserleitung

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Pompeji
Haus in der Regio VI

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Baia
Sog. Dianatempel

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Pompeji
Forumsthermen

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3. Die republikanische Zeit: 80 - 27 v. Chr.

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frühere Form:
opus quasi reticulatum

 

ausgereifte Form:
opus reticulatum

 

opus mixtum

Die Römer bringen nach der Kapitulation Pompejis das opus reticulatum nach Pompeji. Der Name ist abgeleitet von lat. rete (Netz). Diese Bauweise, die keinen besonderen bautechnischen Nutzen hat, wurde in Rom als Mode entwickelt und hat sich später über das ganze Imperium verbreitet.

Ferner werden in dieser Zeit Ziegelsteine als Baumaterial in grossem Stile eingeführt. In Pompeji entstehen grosse Ziegeleien. Allerdings sind reine Ziegelbauten selten, dagegen tritt häufig das sog. opus mixtum auf, in welchem verschiedene Bautechniken kombiniert werden.

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opus reticulatum
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Bäckerei
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Farbige Mosaike bilden die Fussböden. Neu erscheinen die ersten schwarz-weissen Mosaike v.a. mit geometrischen Mustern, die im Verlaufe der Zeit die farbigen Böden ersetzen. 


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4. Die Zeit von Augustus bis Claudius: 27 v. - 54 n. Chr.

In dieser Zeit herrschen bei den Fussböden die schwarz-weissen Mosaike vor. Daneben gibt es sehr kostbare Böden aus geometrisch zugeschnittenem verschiedenfarbigem Marmor (opus sectile).

Ferner gehen auf diese Zeit in der Gartenkunst die mit Mosaiken verzierten Brunnennischen zurück.

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opus sectile
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Brunnennische
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5. Die letzte Phase: 54 - 79 n. Chr.

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opus craticium

Nach dem Erdbeben werden die Häuser durch das leichte und billige Opus craticium erhöht. Es handelt sich dabei um eine Schnellbauweise, in welcher ein Holzrahmen mit Steinen oder auch nur mit geflochtenem Stroh ausgefüllt wird, über das man Mörtel schmiert.

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Herculaneum
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