BSE - Der nackte Wahnsinn

Das Wesen des Erregers

Etwa seit den 60er Jahren wird an der Erforschung der übertragbaren spongiformen Encephalopathien gearbeitet, was 1982 zur Formulierung der Hypothese durch Stanley Prusiner führte: eine ganz neue Erregerklasse ist bei Menschen und Tieren für die SE verantwortlich. Nach der "Protein-Only" Hypothese soll ein Prion, also ein proteinartiges infektiöses Agens ohne Nukleinsäure auch (PrPC genannt) für die SE verantwortlich sein. Prionen unterscheiden sich von bekannten Erregern wie Viren oder Bakterien dadurch, dass sie keine "Lebewesen" sind, d.h. kein Erbmaterial enthalten, sondern schlicht Proteine darstellen. Prion Proteine werden auf Zelloberflächen von verschiedenen Geweben z.B. Gehirn und Lunge gefunden, ihre Funktion konnte aber noch nicht definiert werden. Es wird spekuliert, dass Prionen bei der Schlafregulierung eine Rolle spielen. Sind Prion Proteine schadhaft, was bei BSE und CJD der Fall ist, so kommt es zu den beschriebenen schwammartigen Hirnveränderungen. 1993 konnte die Arbeitsgruppe um Prof. Weissmann in Zürich zeigen, dass das Fehlen von normalen Prion Proteinen in Mäusen a) keine Auswirkung auf das Ueberleben der Maus hat und b) zu einem vollständigen Schutz gegenüber Infektionen mit schadhaften Prion Proteinen führt. Nach einer Infektion mit PrPSc findet die Umwandlung in einer Art molekularer Dominoeffekt von PrPC nach PrPSc statt. Die Primärstruktur, wie auch andere Proteinmodifikationen (Glycosylierung, S-S-Brücken) bleiben erhalten, es ändert sich einzig und allein die Tertiärstruktur. Da sich die Löslichkeit des PrPSc gegenüber dem PrPC stark ändert, fallen die Proteine quasi aus und finden sich, als unlösliche Amyloidablagerungen im Hirn wieder. Bei den übertragbaren SE handelt es sich also um einen Strukturveränderungsmechanismus, so dass ein und das selbe Protein letztendlich in 2 funtionell verschiedenen Arten vorkommen kann, ein Umstand, der an einem Dogma rüttelt, da ein Protein mit definierter Primärstruktur nur in einer definierten, funktionellen Struktur vorkommt. Ganz neu ist aber die Idee der "Chamäleon"-Peptide: sie besagt, dass bestimmte Aminosäuresequenzen entweder alpha-Helix oder beta-Faltblattstrukturen bilden, in Abhängigkeit von den diesen Strukturen angrenzenden Aminosäuren (Nature 380, 730 - 734 (1996)).

Fügt man in die oben erwähnten Mäuse, denen das ursprüngliche PrPC-Gen fehlt (PrPC-Knock-outs), mehrere Kopien des gleichen Gens wieder ein, so zeigt sich aufgrund der Ueberproduktion des PrPC Proteins eine erhöhte Anfälligkeit für eine Infektion mit PrPSc. PrPC lose Mäuse erkranken gar nicht, normale PrPC Mäuse nach 180 Tagen und überexprimierende Mäuse erkranken schon nach 60 Tagen. Gleichzeitig wurde die Vermehrung der Prionen im Hirn untersucht. Bei normalen Mäusen kann man ca. 55 Tage nach Infektion eine Vermehrung der Prionen beobachten, nach 140 Tagen konnte man schon etwa 1 Milliarde Prionen pro Gramm Hirn zählen, wohl gemerkt keine Vermehrung der Prionen an sich, sondern eine Umwandlung von PrPC zu PrPSc.

Untersuchungen zur Uebertragbarkeit von BSE wurden nicht nur auf klassische Weise durchgeführt, sondern auch an Kock-out Mäusen, denen man ein humanes PrPC-Gen eingeschleust hatte. Das unerwartete Ergebnis: die Mäuse liessen sich nicht mit kontaminiertem Rindermaterial infizieren. Sehr erstaunlich, da eine Infektion von humanen PrPC im Reagenzglas gezeigt worden ist (Seite 8). Aufgrund dieser unterschiedlichen Ergebnisse (Reagenzglaschemie Biologie) spricht man nicht nur von einer infektiösen Komponente bei den SE sondern auch von einer genetischen Komponente, d.h. es muss mindestens noch ein bisher unbekanntes Protein, eine Art PrP-Bindungsprotein für die Umwandlung PrPC PrPSc verantwortlich sein. Die genetische Komponente hat eine direkte Auswirkung auf die Zeitdauer der SE Resistenz des Organismus. Es wäre also nicht abwegig, dass das unbekannte Bindungsprotein der Maus die Umwandlung von Human-Prionen durch Rinder-Prionen weniger gut katalysiert, als das eigentlich wirksame humane Bindungsprotein. Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Prion Proteine erhielt Prusiner 1997 als alleiniger Kandidat den mit 1.4 Mio. Franken dotierten Nobelpreis in Medizin (NZZ, 7.10.1997). Dieser Schritt galt als einigermassen überraschend, da der letzte Beweis der Prionentheorie zum Zeitpunkt der Auszeichnung Prusiners fehlte. So ist nicht geklärt, warum "gute Proteine" sich zu "schlechten Proteinen" umwandeln lassen. Auch ist der genaue Mechanismus dieses Vorgangs bisweilen ungeklärt.