Madige Angelegenheit: forensische Entomologie

Die Forensische Entomologie ist ein Zweig der Forensik, bei der aufgrund der
Leichenbesiedlung durch Insekten Hinweise auf die Leichenliegezeit, Todesursache und
Todesumstände gesammelt werden.
Bei den Insekten handelt es sich durchweg um nekrophage ( Nekrophagie = Verzehr von Tierleichen und
Leichenteilen) Insekten wie etwa die Maden von Schmeißfliegen, Käsefliegen oder Fleischfliegen, verschiedene Käfer
wie die Aaskäfer (u.a. der Totengräber und die Speckkäfer sowie weitere Arten, die durch die verwesenden Stoffe
angezogen werden.

„Zum Einsatz kommen die Maden meistens dann, wenn der Tod schon vor zu langer Zeit eingetreten ist, um etwa
über Leichenflecken, Totenstarre oder Temperatur Auskunft über den Todeszeitpunkt zu erhalten. Anhand der
Insektenlarven kann auch dann noch festgestellt werden, wie lange eine Leiche am Auffindungsort gelegen ist und ob sie nach dem Tod noch verfrachtet wurde. So kann es vorkommen, dass eine Leiche im ländlichen Gebiet verscharrt
wurde, die ältesten Maden jedoch von einer Fliegenart stammen, die fast ausschließlich im Stadtgebiet vorkommt.

Die Maden können aber auch auf Verletzungen hinweisen und sogar auf chemische Verbindungen, die der Körper
enthalten hat und die von den Tieren eingelagert werden.Die toxikologische Analyse der Maden kann Erkenntnisse
über eine eventuelle Drogenabhängigkeit des Opfers liefern, zu einem Zeitpunkt, da die klassischen toxikologischen
Untersuchungen des Leichengewebes aufgrund dessen hochgradigen Zerfalls nicht mehr möglich sind. Sogar an der
Isolierung menschlicher DNA aus Fliegenmaden wird gearbeitet, um so eine Identifizierung des Opfers zu ermöglichen.

Wieso aber können gerade die Maden so gut Auskunft geben? Leichen, besonders solche, die im Freien liegen,
werden von bestimmten Insektenarten besiedelt, die dort auch ihre Eier ablegen. Die Zusammensetzung der
Tiergruppen sowie deren Alter und Größe sind typisch für ein bestimmtes Stadium des körperlichen Zerfalls. Sammelt
man die Tiere am Fundort ein und untersucht sie, so kann daraus die Liegezeit einer Leiche abgeleitet werden.
Der Zeitpunkt der Eiablage unterscheidet sich nämlich oft nur um wenige Stunden vom Todeszeitpunkt. Es gilt, die
ältesten Maden auf einer Leiche oder in deren Umgebung zu finden und deren Entwicklungsstadium zu bestimmen. Da
dieses stark von der Temperatur abhängig ist, müssen sich die Gerichtsmediziner genaue meteorologische Daten
besorgen, um das Wachstum rekonstruieren zu können.

Dann muss aber noch bedacht werden, dass auch die Maden selbst, wenn sie zu Hunderten auf einem Haufen liegen,
eine Temperaturerhöhung bewirken. Und zwar von bis zu vierzig Grad innerhalb der Madenmasse. Am Tatort wird ein
Teil der eingesammelten Maden von den Ermittlern sofort getötet und für Bestimmungszwecke konserviert, ein
anderer Teil zur Aufzucht mit ins Labor genommen. Von deren Weiterentwicklung unter konstanter Temperatur kann
man auf ihr Alter schließen.


Man griff zu einer Versuchsanordnung zurück, um alle potenziellen Fehlerquellen möglichst ausschalten zu können:
Man kleidete tote Schweine in T-Shirts und Jeans, legte sie ins Freie und beobachtete die Zersetzung durch
Insekten und deren Maden. Man nahm Schweine, weil sie dem Menschen morphologisch (=anatomisch) sehr ähnlich
sind. Zudem fing man an, die verschiedensten relevanten Fliegenarten unter kontrollierten Bedingungen zu züchten
und deren Wachstumskurven zu erstellen. Diese dienen dann als Vergleichsmaterial für die am Tatort gesammelten
Tiere und als Berechnungsgrundlage.

Da jedoch oft schon die Artbestimmung ein grundlegendes Problem darstellt, arbeiten man auch an
molekularbiologischen Methoden, um die diversen Schmeiß- und Fleischfliegen eindeutig zuordnen zu können. Mit
diesem "genetischen Flügelabdruck" soll es bald auch zoologisch weniger versierten Kriminalisten möglich sein, sich
 der forensischen Entomologie zu bedienen.“

Fotos der Entwicklung des Schweinekadavers unter:
www.grassberger.org/medical-zoology/fe.html#sukzession (Achtung: Nur für Menschen
mit starken Nerven!)


Quellen:
- Ilbeygui Ramin und Reiter Christian: Synopsis und Atlas der Gerichtsmedizin,
http://www.benecke.com,
 heruntergeladen am 2.6.2004
- Krettek Roman, Amendt Jens,
http://www.bs-krimi.de, heruntergeladen am 2.6.2004