Unfälle auf dem Vulkan Stromboli

Tsunami vom 30. Dezember 2002: Bericht von Markus Benzer

Am 27.12.2002 fuhr ich mit fünf Freunden nach Stromboli. Wegen schwieriger Windbedingungen nahm der Aliscafo die nördliche Route vorbei an der Sciara, und da liess sich schon erkennen, dass der Vulkan besonders aktiv war. Man sah schon am Tag das Glühen der Schweißschlacken.

Am 28.12 bemerkte Christoph, dass die Wolken um den Pizzo aussergewöhnlich rot erleuchtet waren. Mir war sofort klar, dass nun die Lava ins Meer fliessen würde. Clemens, Ignaz und ich liefen zügig zum Observatorium. In Piscita wurden wir bereits vom Ascheregen eingehüllt. Das ganze Dorf war zur Sciara unterwegs, und die Api mussten stehen bleiben, weil die Windschutzscheiben durch Asche und Regen undurchsichtig wurden. Wir gingen auf ca. 400m wo sich an die 50 Einheimische versammelt haben. Es war ein gewaltiges Schauspiel.

Zwei Lavaströme stürzten sich tobend ins Meer. Der Wasserdampf vom Meer vermischte sich mit Asche und Regen und zog genau in unsere Richtung. Leider wurden die Diafilme später vom Tsunami ins Meer gespült. Das verwackelte Bild der Digitalkamera gibt immerhin einen Eindruck.

Am 29. war trübes Regenwetter, aber am 30. war es wieder schön und ich entschloss mich, ein paar Aufnahmen zu machen. Ich sass allein im Haus in Ufernähe, das wir gemietet hatten, als auf einmal für einen kurzen Moment der Strom ausfiel. Es war auch irgendwie ein komisches Grollen, dem ich aber nicht weiter Achtung schenkte. Ich schnallte nun meinen grossen Rucksack auf den Rücken und trat aus dem Haus, als wieder der Strom ausfiel. Da bemerkte ich wie Wasser auf die Terrasse schoss. Ich musste mich in Sicherheit bringen, da das Meer davor noch ruhig war, und wir nur etwa drei Meter über Meer waren.

Der Tsunami rollt auf die Küste zu (links) und überflutet die untersten Teile des Dorfes. Aufnahmen von Gianfranco Cincotta.

Doch sogleich sah ich in die herannahende, mehrere Meter hohe Welle. Ich konnte nicht mehr ins Haus sondern stellte mich verkehrt an die Mauer zum Garten und - wusch! - weg war ich. Vom "Flug" bekam ich nichts mehr mit, erst als die Welle zum Erliegen kam, war ich wieder voll bei Bewusstsein. Ich ergriff einen abgesägten Baumstamm und hielt mich fest, weil mich der Sog des zurückweichenden Wassers ins Meer zu ziehen drohte. In diesem Moment dachte ich nicht an einen Tsunami, obwohl ich das Phänomen kannte, sondern ich glaubte, dass es wie 1930 war, als sich die Insel einen Meter aus dem Meer herausgehoben hatte und dann wieder zurücksackte.

Andere Touristen können sich vor dem Tsunami in Sicherheit bringen (Fotos Philippe Guillemin).

Ich stand dann auf und bemerkte, dass mein rechtes Bein verletzt war. Als ich Richtung Vulkan blickte, sah ich dass der Himmel schwarz war. Ich humpelte also ins nächste Haus um von eventuell herunterfallenden Lavabomben geschützt zu sein. Ich wusste ja nicht was passiert war. Ich legte mich erschöpft auf das linke gemauerte Bett (Bild ganz unten auf dieser Seite). Da sah ich auf dem Balkon ein junges Paar, das die Welle hatte kommen sehen und sich auf den Balkon retten konnte. Sie waren standen noch mehr unter Schock als ich, aber ich bat sie für mich Hilfe zu holen. Nach zehn Minuten war schon der Hilfstrupp da und mit einem Ape wurde ich zur Krankenstation gefahren.

Markus Benzer wird nach dem Unfall zum Hafen gefahren. Röntgenaufnahme des Beins mit Platte und Schrauben.

Nach der Erstversorgung fuhr man mich vor das Hotel Ossidiana. Von dort wurde ich zusammen mit einem Italiener, der sich den Fuss gebrochen hatte, zur Poliklinik der Universität Messina geflogen. Am 2. Januar flog man mich mit der Tyrol Air Ambulance nach Innsbruck und tags darauf wurde ich in Hohenems operiert. Nach 10 Monaten konnte man die Platte und neun Schrauben wieder aus meinem Bein entfernen.

Rückblickend denke ich, dass ich habe Glück hatte, indem ich den grossen Rucksack mit dem Stativ fest umgeschnallt gehabt habe, der mir vielleicht schwerere Rückenverletzungen vermieden hat. Ich erlitt glücklicherweise kein psychisches Trauma, weil ich nachvollziehen konnte, was geschehen war und ich angesichts der Wucht des Tsunami trotz allem Glück gehabt hatte und heute wieder gesund bin. Die Faszination für Vulkane ist mir geblieben.

Der Kochlöffel zeigt die Stelle genau, wo die Welle Markus über die Mauer drückte, und die Kante an der vermutlich der Schienbeinkopf zertrümmert wurde. Links vorne das gemauerte Bett, auf dem er auf Hilfe wartete (Bild Marco Fulle).