Unfälle auf dem Vulkan Stromboli

Explosion vom 1. Juni 1996

Bericht von Hansjürg Burkhardt, Zäziwil, Schweiz.

«Am Nachmittag des ersten Juni 96 machte ich mich alleine auf den Weg zum Pizzo. Ich hatte mich vorher über die Route und die Besonderheiten dieses Berges informiert und sah eigentlich keine grösseren Schwierigkeiten, als bei einer ähnlichen Tour in den Alpen.

Nach einem zweistündigen Aufstieg kam ich auf dem Pizzo an. Gegen 20 Uhr kamen noch einige Personen auf den Gipfel. Die Explosionen waren bis etwa 23 Uhr sehr stark und folgten sich alle paar Minuten. Nach 23 Uhr war es ziemlich lange still. Da mir empfohlen worden war, wegen der Gefahr eines grösseren Ausbruchs nicht auf dem Gipfel zu übernachten (obschon das in vielen Reiseführern vorgeschlagen wird), machte ich mich auf den Abstieg. Es war eine klare Vollmondnacht, so dass ich problemlos ohne Taschenlampe durch die Rina Grande absteigen konnte.

Gerade als ich zur ersten kleinen Gegensteigung kam, es war 23.55 Uhr, gab es einen Riesenknall. Ich schaute gegen den Pizzo hoch und sah einen Vorhang aus glühender Lava aufsteigen. Nach der ersten Schrecksekunde schaute ich mich nach einer Deckung um, aber in nächster Nähe sah ich nur einen grossen Stein. Das einzige was darunter einigermassen Platz fand, war mein Kopf, der Rücken war ein bisschen durch den Rucksack geschützt.

Einschlagstellen der Bomben, die über Hansjürg Burkhardt hinwegflogen

Ich hatte Glück, die meisten Brocken flogen über mich hinweg. Um mich herum lagen nur ein paar grössere Stücke die noch glühten. Die Luft war sehr warm. Vom Krater her war in diesem Moment nichts mehr zu hören, ich wusste aber nicht, ob es noch weitere Explosionen geben würde. Plötzlich kamen mir Berichte von mehreren hundert Grad heissen Glutlawinen und schnellfliesseder Lava in den Sinn und ich wollte nur noch eins: runter vom Berg!

Das war ein grosser Fehler, denn in meiner Panik verpasste ich eine Wegabzweigung. In den hohen Ginsterbüschen im unteren Teil des Abstiegs sah ich praktisch nichts mehr und stürzte plötzlich einen steinigen Abhang hinunter. Nachdem ich mich wieder aufgerappelt hatte, hörte und roch ich, dass sich der Ginster an der heissen Lava entzündet hatte.

Beim Versuch wieder hochzuklettern, löste sich ein Stein, und diesmal stürzte ich noch einen Stock tiefer. Als ich kopfunter zum Stillstand kam, hörte ich, dass die Steine, die ich mitgerissen hatte, noch tiefer fielen. Ich hob vorsichtig den Kopf und sah, dass ich am Rand einer kleinen Felswand lag. Ein Sturz über diese Wand hätte ich wohl nicht überlebt. An der rechten Hand und am Kopf blutete ich stark. Langsam legte sich meine Panik und ich ging nun vorsichtiger daran, den Weg wieder zu finden. Es war immer noch sehr warm, aber der Buschbrand schien nicht so nahe zu sein wie ich am Anfang geglaubt hatte.

Durch vulkanische Bomben entfachte Buschfeuer.

Löschflugzeug beim Bekämpfen des Buschbrandes; 2. Juni 96, 10h00. Foto Burkhardt.

Als ich ins Dorf Stromboli kam, standen viele Leute auf dem Platz vor der Kirche und schauten zum Berg hoch. Der Busch brannte an vielen Orten, aber grössere Eruptionen gab es keine mehr. Eine Frau begleitet mich in die Sanitätsstation, wo mir ein Arzt die Wunde am Kopf nähte und die anderen desinfizierte und verband.

Eine Rettungskolonne war inzwischen auf dem Weg zum Pizzo. Dort fand man verbrannte Kleider und Gegenstände. Einige Personen, die sich verirrt hatten, wurden sicher zurückgebracht. Verletzt wurde durch den Ausbruch direkt niemand, nur bei der Flucht gab es hier und dort einige Schrammen, und eine Frau brach sich ein Bein als sie schon fast im Dorf war. Am nächsten Tag zeichneten Pierre Cottens und ich die Fundstellen von Bomben in eine Karte ein.»